Redebeitrag der FAU Frankfurt

Solikundgebung – Gefangenstreik in der JVA Butzbach 5.12.2015

Die Freie Arbeiter- und Arbeiterinnen Union Frankfurt solidarisiert sich mit der Gefangenengewerkschaft GG/BO.
Heute grüßen wir insbesondere die Kollegen, die sich seit Dienstag im Hungerstreik zur Durchsetzung ihrer Forderungen nach Mindestlohn, der Einzahlung in die Rentenversicherung und dem Recht auf gewerkschaftliche Betätigung für inhaftierte Arbeiter_innen befinden.
Wir wünschen euch viel Kraft und Durchhaltevermögen und gratulieren zu eurem Mut! – wohl wissend, dass euer Kampf wesentlich höhere Sanktionsrisiken birgt, als ein gewöhnlicher Arbeitskampf!
Die FAU verurteilt jegliche Einschränkung des Rechtes auf freie gewerkschaftliche Betätigung.
Für uns ist insbesondere das Streikrecht ein nicht verhandelbares Menschenrecht!
Ein Recht, das es durchzusetzen gilt und das für alle Menschen gleicher Maßen Gültigkeit besitzen muss.

Die Realität sieht freilich anders aus.
So sind nicht nur Euch Inhaftierten Streik und andere gewerkschaftliche Tätigkeiten untersagt.
Immer wieder kam es sowohl in Deutschland als auch in Europa in den letzten Jahren zu Einschränkungen gewerkschaftlicher Aktionen und das, obwohl die Gesetzgebungen der Länder sowieso schon strenge Reglementierungen vorsehen und wir Lichtjahre von einer allgemein anerkannten Definition, geschweige denn Praxis des Streikrechtes als Menschrecht entfernt sind.
Wir erinnern an das Jahr 2010, als der spanische Staat inmitten der zugespitzten Wirtschaftskrise sein Militär auf die streikenden Fluglotsen hetzte, und deren Streik unter Androhung von Bajonetten und Gefängnis gewaltsam beenden ließ.
Auch die Hartz IV Gesetzte bewirken durch die Einführung des 1,- € Jobs, eine Einschränkungen der in Deutschland gesetzlich verankerten Koalitionsfreiheit.
Mit 1,- € Jobber_innen wird letztendlich dasselbe Spiel getrieben, wie mit euch lohnarbeitenden Gefangenen. 1,- € Jobber_innen wird durch die Aberkennung des gesetzlichen Status als Arbeitnehmer_innen nicht nur jegliches Recht auf Arbeitskampfmaßnahmen genommen;  sondern auch der Ausschluss von der betrieblichen Meinungsbildung.
So dürfen 1 Euro – Jobber_innen beispielsweise nicht an Betriebsversammlungen, geschweige denn an Betriebsratswahlen teilnehmen.
Eine weitere, skandalöse Änderung bisher geltender Rechtsprechung, setzte Bundesarbeitsministerin Nahles vor wenigen Monaten mit Verabschiedung des Gesetzes zur Tarifeinheit durch. Seit dem sind Streiks nur noch der mitgliederstärksten Gewerkschaft im Betrieb vorbehalten.
Das Wachsen kleinerer Gewerkschaften wird mit diesem Gesetz nahezu verunmöglicht.
Erfolge, die von Gewerkschaften in der Regel durch Arbeitskämpfe erzielt werden und eine Gewerkschaft für ihre Mitglieder erst attraktiv machen, sind nun für kleine Gewerkschaften nicht mehr vorgesehen.
Spanisches Militär gegen Streikende, die Tarifeinheit oder der Ausschluss bestimmter Beschäftigtengruppen von elementaren Grundrechten eint vor allem das Ziel, Arbeitskämpfe weitestgehend zu eliminieren und so die Löhne profitversprechend auf stabil niedrigem Niveau zu halten.
Wenn heute die Gefangenen der JVA Butzbach für ihre Arbeit gerade mal mit 11 € Durchschnittslohn pro Tag abgespeist werden, so ist dies nicht nur ein als Ausbeutung zu skandalisierender Umstand, sondern der hier gezahlte Niedriglohn setzt vor allem jene Betriebe, die vergleichbare Produkte herstellen und dabei bessere Löhne zahlen, massiv unter Druck.
Lohndumping wird so zur staatlich organisierten Aufgabe.
Nicht genug damit, dass der Staat die Rahmenbedingungen für derart entrechtete Arbeitsverhältnisse schafft, zudem beteiligen sich Behörden und öffentliche Einrichtungen als Hauptabnehmer der in den gefängniseigenen Betrieben hergestellten Produkte oder der durch 1,- € Jobber_innen erbrachten Dienstleistungen, aktiv am Werteverfall der Ware Arbeit.
Das jüngste Beispiel dafür, den Arbeitsmarkt für Menschen zweiter Klasse auszudehnen, bildet die von Arbeitgeberverbänden und Politik befeuerte Diskussion, Flüchtlinge durch Ausschluss vom gerade erst eingeführten Mindestlohngesetz in besonderem Maße willkommen zu heißen.
Auch in diesem Fall soll ein juristischer Winkelzug als Vehikel zur Legalisierung staatlich organisierter Ausbeutung dienen. So sollen Flüchtlinge künftig unter dieselben Regelungen wie Langzeiterwerbslose gestellt werden. Diesen kann bereits heute innerhalb des ersten halben Jahres einer Anstellung weniger als der Mindestlohn gezahlt werden. Ganz nebenbei wird im Zusammenhang mit dieser Debatte, auch noch die zeitliche Ausweitung der Sonderreglung auf ein Jahr gefordert. Die von Agrarminister Schmidt als „unorthodox bezeichnete Maßnahme“ zur Integration stellt in Wirklichkeit also nur eine nächste Runde von Lohn – und Sozialdumping dar.
Gründe für gewerkschaftliche Organisierung – hinter Gittern und außerhalb – gibt es also genug. Wir bekommen nur das, wofür wir kämpfen!
Wir fordern:
•    Das Recht auf volle gewerkschaftliche Aktionsfreiheit für alle Lohnabhängigen – egal an welchem Ort.
•    Die Abschaffung aller Ausnahmeregelungen, die ein unterschreiten des Mindestlohnes zulassen.
•    Schluss mit den Behinderungen gewerkschaftlicher Arbeit hinter Gittern – weg mit Kontaktverboten, Schluss mit dem Vorenthalten gewerkschaftlicher Informationen und Isolationshaft.

Butzbach, 5.12.2015
Freie Arbeiter- und Arbeiterinnen Union Frankfurt