Pressespiegel

Übersicht

14.11.15/17.11.15 – Artikel in der Frankfurter Rundschau (FR) [Zunächst erschien der Artikel in der Hessenbeilage, drei Tage später identisch im Hessenteil der Deutschlandausgabe]

15.11.15 – Artikel in der Frankfurter Neuen Presse (FNP) [Die FNP verfügt über mehrere Lokalausgaben, in denen der Beitrag veröffentlicht wurde]

17.11.15/18.11.15 – [Pressemitteilungen von Parlamentarier_innen aus dem Hessischen Landtag]

18.11.15 – Hessischer Rundfunk (HR) [Hessenschau im ARD-Regionalsender hr und im Hörfunk auf hr4]

18.11.15 – Butzbacher Zeitung (BZ) – [leider kein Exemplar; die GG/BO hat aber einen Kommentar dazu geschrieben]

18.11.15 – Artikel aus dem “Schwäbischen Tagblatt”

19.11.15 – Wiesbadener Kurier (WK) – [Der WK verfügt über (mindestens) acht lokaler Ableger, in denen jeweils der Beitrag abgedruckt war]

20.11.15 – Artikel aus der Gießener Allgemeinen (GA)

23.11.15 Artikel im “neues Deutschland”

25.11.15 Artikel in der FAZ.

1./2. 12.2015 Neuer Artikel in “Neues Deutschland”

2.12.2015 Artikel in der Butzbacher Zeitung zur Kundgebung vor der JVA Butzbach

2.12.2015 Artikel in der Frankfurter Rundschau

2.12.2015 Artikel in der FAZ zum Beginn des Hungerstreiks.

2.12.2015 Radiointerview zum Hungerstreik beim radio flora

2.12.2015 Artikel in der Jungen Welt.

3.12.15 Artikel in der TAZ.

3.12.15 Artikel auf englisch in The Local

3.12.15 Artikel auf englisch auf Sputniknews.com

3.12.15 Bericht in der Frankfurter neuen Presse zur Kundgebung am 1.12. vor der JVA Butzbach.

3.12.15 Artikel in der Wetterauer Zeitung zur Kundgebumg am 1.12.

4.12.15 Aktion der GG/BO Soligruppe in Jena zum Hungerstreik in Butzbach

4.12.15 Aufruf zur Kundgebung am 5.12. auf political-prisoners.net

5.12.15 Artikel in der Frankfurter Neuen Presse

5.12.15 Artikel im Wiesbadener Kurier

5.12.15 Artikel zur Kundgebung vor der JVA auf hessenschau.de

5.12.15 Artikel auf Focus.de

6.12.15 Artikel in der TAZ

6.12.15 Artikel der Frankfurter Rundschau

6.12.15 “Call for International Solidarity to the Butzbach Prisoners’ Hunger Strike” auf Indymedia

7.12.15 Beitrag vom FSK Hamburg auf freie-radios.net

7.12.15 Bericht zur 2. Kundgebung in Butzbach von political-prisoners.net

8.12.15 Beitrag auf detektor.fm

10.12.15 PM der GG/BO veröffentlicht auf political-prisoners.net

11.12.15 Hessenschau.de zur Beendigung des Hungerstreiks

11.12.15 Artikel in der Frankfurter Allgemeinen

11.12.15 Artikel in der Frankfurter Neuen Presse

11.12.15 Die Mitteldeutsche Zeitung zur Beendigung des Hungerstreiks

11.12.15 Die Frankfurter Rundschau zur Beendigung des Hungerstreiks

 

„Menschenunwürdige Verhältnisse“
JVA Butzbach: Gefangene drohen mit Hungerstreik
FNP vom 15.11.2015
In der Justizvollzugsanstalt Butzbach droht ein Hungerstreik. Gefangene haben der hessischen Justizministerin Eva Kühne-Hörmann ein Ultimatum gestellt, sich bis zum 1. Dezember an den Verhandlungstisch zu begeben. Ihre Vorwürfe sind massiv In der Justizvollzugsanstalt Butzbach droht ein Hungerstreik.
Menschenunwürdige Verhältnisse, mangelndes Resozialisierungsbemühen, Behandlung “wie in einer Bananrepublik”: Die Vorwürfe der Häftlinge in der JVA Butzbach an die Adresse der hessischen Justizministerin Eva Kühne-Hörmann sind massiv.

Jetzt verleihen die Insassen, organisiert über ihre Interessenvertretung (IVdG) ihren Forderungen mit einem Ultimatum Nachdruck: Begebe sich die Ministerin bis zum 1. Dezember nicht an den Verhandlungstisch, werde man in einen Hungerstreik treten. Das kündigt die Bundesweite Organisation (BO) der Gefangen-Gewerkschaft (GG) am Sonntag in einer Pressemitteilung an.
Sollte Eva Kühne-Hörmann bis dahin “keine Bemühungen zeigen, die festgefahrenen Verhandlungen mit der JVA über die Anliegen der Inhaftierten wieder in Bewegung zu bringen,” heißt es in der Mitteilung, “wollen mehrere Dutzend Inhaftierte in einen unbefristeten Hungerstreik treten”.
Die GG/BO appelliere eindringlich an die Ministerin, ihre Verantwortung wahr- und ernstzunehmen.

Pressemitteilung vom 18.11.2015 der Landtagsfraktion Die LINKE
Hungerstreik der Gefangenen in der JVA Butzbach – Ministerin muss jetzt reagieren
Mittwoch, 18.11. 2015
Anlässlich des von der Interessenvertretung der Gefangenen der JVA Butzbach angekündigten Hungerstreiks ab 1. Dezember 2015 erklärt Marjana Schott, justizvollzugspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. im Hessischen Landtag:
„Wir unterstützen die Forderungen der Gefangenen nach voller Gewerkschaftsfreiheit, konsequenter Resozialisierung und Einbeziehung in die Sozialversicherung. Nach zum Teil jahrelanger Arbeit in der JVA muss man am Ende auch Rentenansprüche haben. Dass die Gefangenen nach verschiedenen Versuchen der Kontaktaufnahme mit Frau Justizministerin Kühne-Hörmann (CDU) nun in den Hungerstreik treten wollen, da sie kein anderes Mittel mehr sehen, um sich Gehör zu verschaffen, ist ein alarmierendes Signal. Wenn Frau Kühne-Hörmann den Gedanken der Resozialisierung und die Anliegen der Gefangenen ernst nehmen würde, hätte sie auf den Gesprächswunsch reagiert.“
Die Ministerin schreibe Resozialisierung  ins Gesetz und mute dem Personal gleichzeitig Stellenkürzungen und eine Nullrunde beim Lohn zu, so Schott. Dies sei nicht der richtige Weg. Stattdessen bräuchte es mehr Personal, um Resozialisierung auch umsetzen zu können.
„Eine Aktion der Gefangenen, die auf ihre prekäre Lage aufmerksam macht, ist vor diesem Hintergrund erwartbar gewesen. Die Ministerin muss sich jetzt ins Gespräch begeben.“

Pressemitteilung vom 17.11.2015 der SPD-Landtagsfraktion
Heike Hofmann und Lisa Gnadl: SPD Fordert von Justizministerin Aufklärung über Zustände in der JVA Butzbach
Die Rechtspolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion Heike Hofmann und die zuständige Wahlkreisabgeordnete Lisa Gnadl haben angesichts des für den 1. Dezember angekündigten Hungerstreiks von Inhaftierten der Justizvollzugsanstalt Butzbach Aufklärung von Justizministerin Kühne-Hörmann gefordert. Hintergrund des Hungerstreiks sei die ausbleibende Reaktion der Justizministerin auf Probleme der Inhaftierten mit der Anstaltsleitung. „Die gewählten Interessenvertretung der Gefangenen der JVA Butzbach hat sich schon am 29. September mit einem Schreiben an die hessische Justizministerin gewandt, in dem sie Problem mit der Anstaltsleitung schilderten, sich jedoch für Lösungen offen zeigten. Frau Kühne-Hörmann bleibt bis heute eine Antwort schuldig. Es kann nicht sein, dass die Justizministerin bis heute nicht auf die Sorgen der Gefangenen reagiert hat und diese nun keine andere Möglichkeit mehr sehen, als in einen Hungerstreik zu treten, sollte die Justizministerin weiterhin nicht reagieren,“ sagten Hofmann und Gnadl am Dienstag unisono in Wiesbaden.

Die SPD werde hierzu am morgigen Dienstag im Unterausschuss Justizvollzug des Hessischen Landtags kritische Nachfragen zu den Vorgängen stellen.

JVA Butzbach Häftlinge fordern Mindestlohn
Hessenschau, Veröffentlicht am 18.11.15 um 18:00 Uhr
Dutzdende Gefangene der JVA Butzbach haben gedroht, Anfang Dezember in einen unbefristeten Hungerstreik zu treten.
Damit wollen sie Forderungen gegenüber der Anstaltsleitung und des Justizministeriums untermauern. Die Häftlinge verlangen unter anderem die Zahlung von Mindeslohn und Sozialversicherungsbeiträgen. Außerdem kritisieren sie die Verschärfung von Haftbedingungen. Gespräche mit der Anstaltsleitung seien ergebnislos geblieben. Auch von Justizministerin Eva Kühne-Hörmann sei seit September keine keine Antwort gekommen.
Quelle: hessenschau.de

Schwäbisches Tagblatt, 18.11.2015
Die Gefangenen Gewerkschaft kämpft für „Minimalstandards“ in Haftanstalten
Auch im Knast wird gearbeitet. Zehntausende Inhaftierte in Deutschland gehen einer Beschäftigung nach. Ihr Lohn fällt allerdings dürftig aus – und die Arbeitgeber sparen Sozialabgaben. Die neue Gefangenen-Gewerkschaft will das ändern.
Philipp Koebnik
Reutlingen. „Wir fordern nichts Außergewöhnliches, sondern lediglich Minimalstandards“, betonte Oliver Rast in seinem Vortrag am Montagabend. Der Mitbegründer der neuen Gefangenen-Gewerkschaft/Bundesweite Organisation (GG/BO) erklärte den 15 Besucher/innen im Reutlinger Kulturzentrum franz. K, unter welchen Bedingungen Inhaftierte in deutschen Gefängnissen arbeiten. Und weshalb die „Parallelwelt Knast“ nicht länger ein gewerkschaftsfreier Raum sein dürfe.
Im Mai vergangenen Jahres gründeten einige Aktivisten die neue GG/BO. Inzwischen seien über 850 Inhaftierte in rund 70 Haftanstalten Mitglieder der neuen Gewerkschaft geworden, sagte Rast. Er selbst saß dreieinhalb Jahre im Gefängnis. Man hatte ihn seinerzeit beschuldigt, Mitglied einer linksradikalen Gruppe gewesen zu sein, die von 2001 bis 2009 existierte und beispielsweise Sabotageakte gegen Bundeswehrgerät verübte.
„So eine rasante Bewegung habe ich in meinem bisherigen politischen Leben noch nicht erlebt“, freute sich der Referent, der auch Bundessprecher der GG/BO ist. Allerdings hätten es Inhaftierte, die sich organisieren und für ihre Rechte aktiv werden wollen, meist nicht leicht: „Es gibt viel Repression gegen renitente Gefangene, etwa in Form von häufigeren Haftraumkontrollen, also Zellen-Razzien, und anderen Schikanen.“
Nicht nur, dass die Löhne im Knast weit unterhalb des gesetzlichen Mindestlohns liegen. „Die Unternehmen sind außerdem von den Sozialabgaben befreit“, so Rast. Inhaftierte erwerben durch ihre Tätigkeit keine Rentenansprüche, zudem genießen sie keinen Kündigungsschutz. Gewerkschaftliche Organisierung in den Haftanstalten sei daher dringend notwendig, sagte Rast, der seit vielen Jahren gewerkschaftlich aktiv ist.
Gefangene bekommen in der Regel neun Prozent des durchschnittlichen Einkommens aller sozialversicherten Beschäftigten in Deutschland. „Das entspricht ungefähr acht bis 15 Euro am Tag, je nachdem, wie viel jemand arbeitet.“ Es gebe sogar Leute, die noch weniger verdienten. Ungeniert würden die „Kostenvorteile“ für Unternehmen angepriesen: „Die Haftanstalten werben auf ihren Websites mit den billigen Löhnen der Inhaftierten um Auftraggeber.“ Es handle sich mithin um „staatlich sanktioniertes Sozial- und Lohndumping“, kritisierte der Referent. „Wir finden aber, eine Sonderwirtschaftszone Knast darf es nicht geben.“ Es gehe schließlich um die Grundrechte der beschäftigten Gefangenen.
Aktuell unterstützt die GG/BO eine Aktion in der JVA Butzbach. Beschäftigte in dieser hessischen Haftanstalt protestieren seit Längerem gegen ihre Arbeitsbedingungen. „Sie haben nun ein Ultimatum bis zum 1. Dezember gesetzt, danach wollen sie in den Hungerstreik treten.“ Das sei die einzige legale Möglichkeit zu streiken, da Menschen, die die Essensaufnahme verweigern, nicht zur Arbeit gezwungen werden können.
Die GG/BO steht allen inhaftierten Beschäftigten offen, unabhängig von der Branche, in der sie tätig sind. Rund 45 000 der insgesamt etwa 65 000 Inhaftierten in der Bundesrepublik befinden sich in einem Beschäftigungsverhältnis – denn in den meisten bundesdeutschen Gefängnissen herrscht Arbeitspflicht. Zahlreiche Unternehmen profitierten davon, auch im Südwesten.
Noch sei man eine kleine Initiative, die personell, logistisch und finanziell an der Kapazitätsgrenze arbeite. „Wir hoffen auf offene Ohren bei den DGB-Einzelgewerkschaften“, sagte Rast. Auf deren Unterstützung sei man langfristig angewiesen. Immerhin, so der 43-Jährige, habe es schon früher Versuche gegeben, Inhaftierte gewerkschaftlich zu organisieren. Was den Ausdehnungsgrad betrifft, sei diese Initiative allerdings ein Novum in der deutschen Gewerkschaftsgeschichte.
Auch Rottenburger Gefangene sollen sich organisieren
Derzeit befinden sich in der JVA Rottenburg etwa 530 Inhaftierte. Darunter sind viele, die einer Beschäftigung nachgehen. Auch die Rottenburger Gefängnisinsassen möchte die GG/BO möglichst rasch organisieren. „Wir strecken gerade unsere Fühler aus“, so Oliver Rast. Er zeigt sich zuversichtlich, dass man dort bald Fuß fassen werde. Bislang habe man rund 150 Mitglieder in baden-württembergischen Haftanstalten, sagt Rast.

Wiesbadener Kurier, Hessen 19.11.2015
Häftlinge drohen mit Hungerstreik

Gefängnis Butzbach: „Eine Freiheitsstrafe muss Einschränkungen mit sich bringen“, findet Justizministerin Kühne-Hörmann. Foto: Sascha Kopp

Von Christoph Cuntz
JUSTIZ Gefangene fordern Mindestlohn und finden dafür die Unterstützung einer selbst ernannten „Gewerkschaft“
WIESBADEN – „Mindestlohn und Rentenversicherung für alle“ und „Weg mit der Arbeitspflicht im Knast“: Das sind nur zwei der Forderungen, die zahlreiche Gefangene der Justizvollzugsanstalt Butzbach unterschrieben haben. Über diese Forderungen wollen sie mit Hessens Justizministerin Eva Kühne-Hörmann verhandeln. Angeblich sollen sie der CDU-Politikerin sogar ein Ultimatum gestellt haben: Sollte sie sich bis 1. Dezember nicht zu einem Gespräch in Butzbach einfinden, würden mehrere Dutzend Insassen in einen unbefristeten Hungerstreik treten.
„Zellenrazzien als Strafe“
Das zumindest verbreitet die in Berlin residierende „Gefangenengewerkschaft“. Sie kritisiert die Unterbringung in Butzbach als „menschenunwürdig“. Und suggeriert: Wer sich für die Interessen der Gefangenen engagiert, werde mit täglich 23 Stunden Einschluss und wiederholten Zellenrazzien abgestraft. In den Gefängnissen jedenfalls sei die Zahl derer, die mit den Zielen der „Gefangenengewerkschaft“ sympathisierten, um ein Vielfaches größer als die Zahl ihrer Mitglieder. Das Mobilisierungspotenzial sei „enorm“.
So droht für etliche Häftlinge in Butzbach die Advents- zur Fastenzeit zu werden. Denn Hessens Justizministerin hat bislang nicht zu erkennen gegeben, dass sie mit ihnen verhandeln wird.
Im hessischen Landtag gibt es dagegen Verständnis für die Forderungen der „Knackis“. Die SPD-Abgeordneten Heike Habermann und Lisa Gnadl etwa beklagen, dass die Gefangenen „keine andere Möglichkeit mehr sehen, als in einen Hungerstreik zu treten, sollte die Justizministerin weiterhin nicht reagieren“. Und Marjana Schott von den Linken schreibt angesichts der Hungerstreik-Drohung: „Die Ministerin muss jetzt reagieren“. Ihre Fraktion unterstütze die Forderung „nach voller Gewerkschaftsfreiheit, konsequenter Resozialisierung und Einbeziehung in die Sozialversicherung“.
Nur: Die Gefangenengewerkschaft mag sich zwar Gewerkschaft nennen. Sie ist es gleichwohl nicht, wie das Berliner Kammergericht im Juni urteilte. Denn: Ihre Mitglieder seien keine Arbeitnehmer, weil es ja auch keine Arbeitsverträge gibt. Gefangenenarbeit sei vielmehr ein „Zwangsmittel“, das zu dem „durch die Freiheitsstrafe auferlegten Strafübel gehören“ könne.
Wer in der JVA Butzbach arbeitet, bekommt tatsächlich nicht den Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde. Allenfalls 8,50 Euro pro Tag. Dafür hat er Kost und Logis frei. Was zynisch klingt, ist ein handfester Vorteil: Denn eigentlich haben Gefangene nach der Strafprozessordnung die Kosten des Vollzugs zu tragen – rund 3 000 Euro im Monat.
In Hessen pocht denn auch Justizministerin Kühne-Hörmann auf die in Gefängnissen geltende Arbeitspflicht. „Ein geregelter Alltag, das Erlernen von handwerklichen Fähigkeiten sowie Bildung und Ausbildung für die Inhaftierten soll einen Beitrag leisten, auf ein straffreies Leben nach der Haft vorzubereiten“. Die Gefangenen in Butzbach hätten wohl vergessen, dass eine Freiheitsstrafe „notwendige Einschränkungen mit sich bringt und mit sich bringen muss“.
Allerdings gibt es für eine Forderung der Gefangenen sogar Unterstützung aus der CDU: Auch Uta-Maria Kuder, Justizministerium in Mecklenburg-Vorpommern, stört sich daran, dass die Rentenversicherung Arbeitsjahre im Gefängnis nicht anerkennt. Gefangene müssten aber die Möglichkeit haben, Rentenbeiträge einzuzahlen: „Ich sehe das als wichtigen Beitrag zur Resozialisierung“.

NICHT VOLL BELEGT
Die Justizvollzugsanstalt Butzbach verfügt über die höchste Sicherheitsstufe. Die männlichen Insassen sitzen Haftstrafen von mindestens 24 Monaten ab. Von den 504 Haftplätzen sind derzeit 418 belegt. Die Häftlinge arbeiten werktags und können auch eine Ausbildung machen.

Weitere Forderungen der Gefangenen sind: „Her mit der Tariffähigkeit“, „Volle Gewerkschaftsfreiheit hinter Gittern“, „Kein Knast ohne Gefangenen-Gewerkschaft“ sowie „Solidarität drinnen und draußen“.

Gießener Allgemeine, Artikel vom 20.11.2015

Gefangene fordern Mindestlohn
Butzbach/Wiesbaden (bb). Einige Insassen der JVA in Butzbach drohen mit Hungerstreik: Die Strafgefangenen fordern zum Beispiel die Einführung des Mindestlohns, »eine Rentenversicherung für alle« und die Abschaffung der Arbeitspflicht in Gefängnissen.

Tarifverhandlungen im Gefängnis? Häftlinge der JVA Butzbach wünschen sich das.
© DPA Deutsche Presseagentur
Der Vorgang macht Schlagzeilen, die Landtagsparteien haben sich schon damit beschäftigt und die Linke macht sich stark für die erhobenen Ansprüche. Um was es geht: Einige (aber längst nicht alle) Insassen der Justizvollzugsanstalt in Butzbach haben Forderungen gestellt, die man sonst nur von ordentlichen Tarifparteien kennt: Die Strafgefangenen fordern zum Beispiel die Einführung des Mindestlohns, »eine Rentenversicherung für alle« und die Abschaffung der Arbeitspflicht in Gefängnissen. Damit stehen die Häftlinge freilich ganz allein in Deutschland. Aus anderen Justizvollzugsanstalten sind solche Forderungen jedenfalls nicht bekannt. Ihr »Tarifpartner« ist aus Sicht der Gefangenen die hessische Justizministerin Eva Kühne-Hörmann. Ganz in der Tradition von Tarifauseinandersetzungen haben die JVA-Insassen ihren »Wunschzettel« auch gleich mit einer Drohung versehen: Wenn sich die Ministerin nicht bis zum 1. Dezember zu einem ersten Gespräch in Butzbach einfindet, wollen »mehrere Dutzend« Insassen in einen unbefristeten Hungerstreik treten.

Für ihren Katalog haben die Butzbacher Strafgefangenen Unterstützung bekommen: Die in Berlin ansässige »Gefangenengewerkschaft« bekräftigt nicht nur die Forderungen, sondern spricht auch gleich noch von einer menschenunwürdigen Unterbringung der Gefangenen in Butzbach. Wer für die Forderungen der Häftlinge eintrete, der werde mit 23 Stunden Einschluss und Zellenrazzien bestraft.

Das Justizministerium sieht das allerdings anders: Der Mindestlohn finde in diesem Fall keine Anwendung, weil es sich »bei Gefangenen nicht um Arbeitnehmer handelt«. Die Vergütung nach dem Hessischen Strafvollzugsgesetz dürfe nicht allein nach ihrer Höhe bewertet werden – rund 200 Euro im Monat. Denn die Gefangenen »haben auch die Kosten für die Vollstreckung zu tragen. Für einen Hafttag entstehen dem Steuerzahler Kosten in Höhe von rund 100 Euro, also etwa 3000 Euro im Monat.« Bei arbeitenden Gefangenen entfalle jedoch jegliche Beteiligung. Insoweit müsse stets das Gesamtpaket betrachtet werden. Würde der Mindestlohn eingeführt, müssten die Gefangenen auch für die Haftkosten aufkommen – »ein offensichtlich sehr schlechter Tausch«.

René Brosius, Sprecher des Justizministeriums, schreibt auf Anfrage dieser Zeitung: »In Hessen gibt es (für Strafgefangene) eine gesetzliche Arbeitspflicht. Eine solche Arbeitspflicht besteht auch in den meisten anderen Bundesländern. Die Arbeitspflicht hat die Aufgabe, den Alltag im Vollzug sinnvoll zu gestalten.« Ein geregelter Alltag, das Erlernen von handwerklichen Fähigkeiten sowie Bildung und Ausbildung für die Inhaftierten solle einen Beitrag dazu leisten, die Gefangenen auf ein straffreies Leben nach der Haft vorzubereiten. Diese Zielsetzung, unter den besonderen Voraussetzungen des Strafvollzuges, bringe es mit sich, dass die Tätigkeiten, die die Inhaftierten ausführten, gerade nicht mit Tätigkeiten normaler Arbeitnehmer zu vergleichen seien. Brosius: »Generell verkennen die Verfasser (des Forderungskataloges), dass der Vollzug einer Freiheitsstrafe, die wegen einer begangenen Straftat verhängt worden ist, notwendige Einschränkungen mit sich bringt und mit sich bringen muss.«

Auch den anderen Forderungen erteilt die Justizministerin deshalb eine klare Absage. Zum Beispiel dem Wunsch der Gefangenen nach freier Arztwahl. Es verstehe sich zudem von selbst, dass den Gefangenen der Einkauf nicht in Eigenregie überlassen werden könne. Gleiches gelte für den freien Internet-Zugang.

Die Gefangenen haben sich nun selbst in eine prekäre Lage gebracht: Da die Ministerin – wie es aussieht – nicht nach Butzbach kommen wird, werden sie – wenn sie glaubhaft bleiben wollen – wohl fasten müssen.

Arbeiten im Gefängnis Recht und billig
Zehn Euro verdient ein Gefangener – am Tag. Ausbeutung, sagen die einen, der erste Schritt in ein geregeltes Leben, die anderen. Besuch in der JVA Butzbach.
FAZ, 31.05.2015, von Florentin Schumacher

© Grapatin, Niklas Handarbeit: Der Inhaftierte Hans B. baut in der Butzbacher Gefängnis-Werkstatt ein Modell-Motorrad.
Hans B. ist der Traum jedes Arbeitgebers: Er ist fleißig, kostet wenig, und kündigen kann er auch nicht. Seit sieben Jahren arbeitet B. in der Gefängnis-Schlosserei in Butzbach. Er und seine Mitgefangenen stanzen Bleche, schweißen Bettroste, lackieren Geländer. Auch Gitter für Gefängniszellen hat B. schon gemacht. Für seine Arbeit bekommt Hans B., 53 Jahre alt, verurteilt zu zwölf Jahren Haft wegen Raubes, gut 15 Euro – am Tag.
Ungefähr 4500 Häftlinge sitzen in Hessens Justizvollzugsanstalten (JVA), etwa zwei Drittel gehen einer Arbeit nach. Sie löten Grillroste, kleben Tüten und flechten Kletternetze für Spielplätze. Die Möbel der hessischen Landesvertretung in Brüssel wurden in Vollzugsanstalten geschreinert, genauso wie Schultische, Stühle für Polizeiwachen und Betten in Flüchtlingsunterkünften. Doch auch Unternehmen lassen gern im Gefängnis fertigen: Die Löhne sind niedrig, ein Schreinermeister bekommt zum Beispiel maximal 2,73 Euro in der Stunde – im Gefängnis ein Spitzenlohn. Für die Häftlinge ist das besser als nichts, für die Unternehmen super: Ein bisschen China in Deutschland.

Niedriger Lohn und hohe Qualität
Manchmal sei es schon schwierig, die Gefangenen zu motivieren, sagt Björn Wiegel. Seit fünf Jahren leitet der Metallbaumeister in der JVA Butzbach Häftlinge an. Manche von ihnen haben vor der Haft noch nie regelmäßig gearbeitet; viele sind ohne Ausbildung. Er müsse deshalb geduldig sein, sagt Wiegel, loben, Erfolgserlebnisse vermitteln. Mit hohen Löhnen anspornen kann er schließlich nicht.
Es seien aber nicht vor allem die niedrigen Personalkosten, weshalb Unternehmen in einer JVA fertigen ließen, sagt Thomas Krienke, Leiter des Bereichs Arbeitswesen in Butzbach. Die Qualität sei entscheidend. In den Butzbacher Produktionsräumen stehen computergesteuerte Maschinen zur Kantenbearbeitung, ein Plasmaschneider, mehrere zehntausend Euro teuer. Es ist nicht das allerneueste Gerät, aber auch kein Schrott.
Auftraggeber schätzen die Kombination aus niedrigen Löhnen und hoher Qualität. Was sie weniger schätzen, sind Fragen zu ihrem Engagement hinter Gittern. In den Werkstätten hessischer Gefängnisse lassen namhafte Automobilhersteller Teile sortieren, große Discounter Verpackungen für Weihnachtsgebäck falten.
Gefängnisse müssen um Aufträge werben
Darüber reden wollen sie nicht. Viele Unternehmen reagieren nicht auf Anfragen, unser Fotograf darf in Butzbach nicht alle Produkte fotografieren, weil Firmen Angst haben, erkannt zu werden. Ein Hersteller für Vereinsbedarf, für den Insassen der JVA Schwalmstadt Pokale bauen, ist nicht für ein Gespräch zu erreichen. In Gefängnissen fertigen zu lassen hat für viele Unternehmen etwas Schmuddeliges. Angst um das Image – das ist einer der Gründe, den Arbeitswesen-Leiter Krienke und seine Kollegen oft hören, wenn Betriebe ihnen absagen.
Die Gefängnisse selbst hingegen werben offen um Aufträge, etwa auf Messen. Es sei nicht einfach, Auftraggeber zu finden, heißt es beim Justizministerium. Die Arbeiten dürfen nicht zu anspruchsvoll sein. Dazu kommt die Sicherheit: Wenn zum Beispiel Unternehmen Material anliefern, müssen sie ihre Lastwagen durchsuchen lassen. Das dauert. Und kostet.
Zehn Millionen Euro setzten Hessens Gefängnisse 2014 um. Ihr großer Vorteil für Unternehmen: Mit der Arbeit hinter Gittern lassen sich Produktionsspitzen abfedern. In der JVA Butzbach sitzen gut 400 Inhaftierte. Am Morgen zehn Häftlinge mehr einzusetzen, die Schrauben sortieren, weil ein Kunde kurzfristig mehr Geschäft hat, ist nicht sonderlich schwierig. Von einem Tag auf den anderen zehn zusätzliche Arbeiter einzustellen, das ist für Firmen draußen fast unmöglich.
Strafgefangene sind verpflichtet zu arbeiten
Genau deshalb lässt zum Beispiel Gardena in Gefängnissen fertigen. Der Hersteller von Gartengeräten geht damit im Gegensatz zu anderen Unternehmen offen um. Das Geschäft sei sehr saisonabhängig, begründet ein Sprecher die Produktion hinter Gittern. Scheint die Sonne, ordert Gardena bei den Gefängnissen ein paar mehr Gartenduschen. Auch in Behindertenwerkstätten rund um den Unternehmenssitz Ulm lässt Gardena produzieren. In Konkurrenz stünden Behindertenwerkstätten und Gefängnisse aber nicht, sagt Wolfgang Rhein, Geschäftsführer der Praunheimer Werkstätten in Frankfurt. Dafür sei das Auftragsvolumen beider Anbieter viel zu gering.
In Hessen sind Strafgefangene verpflichtet zu arbeiten; Untersuchungshäftlingen und Personen in Sicherungsverwahrung steht es frei. Bedenkt man noch Alte und Kranke, mutet die Arbeitslosigkeit unter Hessens Gefangenen von fast 33 Prozent nicht mehr ganz so hoch an.
Ziel der Beschäftigung ist laut Justizministerium nicht der Profit, sondern die Inhaftierten in die Arbeitswelt einzugliedern. Sie sollen nach der Entlassung in der Lage sein, eine Stelle finden und selbst Geld verdienen zu können. Arbeit strukturiert den Tag, auch in der Haft; sie qualifiziert, sozialisiert. Manch ein Häftling sieht das anders. „Keine Arbeit im Gefängnis dient der Resozialisierung, sondern nur der Ausbeutung von Gefangenen, die sich nicht wehren können“, zitierte die taz vor kurzem einen anonymen Inhaftierten der JVA Butzbach: „Das ist Ausbeutung mit staatlicher Zustimmung.“
Mindestlohn gilt nicht
Ausbeutung deshalb, weil der Mindestlohn in Gefängnissen nicht gilt. Die Inhaftierten stünden nicht in einem klassischen Arbeitsverhältnis heißt es als Begründung beim Justizministerium. Befürworter des niedrigen Lohns argumentieren, dass die Häftlinge im Gefängnis kostenlos wohnen, essen, leben. Vollpension halt. Außerdem müssen sie bewacht werden, und das ist teuer: Knapp 120 Euro kostet ein Strafgefangener in Hessen durchschnittlich am Tag, der gesamte Vollzug rund 220 Millionen im Jahr.
Ginge es nach Oliver Rast, wäre mit dem Billiglohn hinter Gittern dennoch längst Schluss. Vor einem Jahr, da saß Rast selbst noch in einer JVA, gründete er eine Art Gefangenengewerkschaft. Inzwischen ist Rast wieder draußen und arbeitet als Antiquar – wenn er nicht gerade mit Vorträgen und bei Diskussionen für seine Organisation wirbt. Die hat nach eigenen Angaben deutschlandweit etwa 700 Mitglieder, 50 davon in Hessen. Auch in Butzbach sitzen einige von ihnen ein, 15 bis 20, schätzt Rast.
Er hat zwei große Forderungen: Der Mindestlohn soll auch in Deutschlands Gefängnissen gelten; zudem sollen Strafgefangene während der Haft in die Rentenversicherung einzahlen können. Für arbeitende Gefangene werden zwar Beiträge zur Arbeitslosenversicherung gezahlt, Rentenansprüche erwerben die Inhaftierten aber nicht. Mehrere Jahre im Gefängnis, danach Schwierigkeiten, eine Stelle zu finden – das führt laut Rast für viele Häftlinge direkt in die Altersarmut.
Fast 15 Millionen Euro im Jahr würde die Rentenversicherung für Gefangene das Land kosten, heißt es beim Justizministerium, die im Schnitt ohnehin niedrigen Renten der Inhaftierten dadurch aber kaum steigen. Der Mindestlohn sei geradezu absurd: Schließlich sei der Aufwand schon jetzt groß, Auftraggeber zu finden; die vierfachen Lohnkosten würden das nahezu unmöglich machen.
Knapp elf Euro verdient ein Gefangener in Hessen durchschnittlich am Tag; das macht 230 Euro im Monat. Davon werden vier Siebtel gespart, damit die Häftlinge nicht ganz ohne Geld dastehen, wenn sie entlassen werden. Für die übrigen drei Siebtel können sie im Gefängnisladen Zigaretten, Kaffee und Obst kaufen. Auch Hans B. kauft dort ein, mit mehr als 15 Euro am Tag gehört er in Butzbach zu den Topverdienern. Doch was er wirklich will, kann er im Gefängnisladen nicht kaufen: einen USB-Stick für seine Musik und Filme. So etwas Modernes gibt es in der 1894 unter Kaiser Wilhelm II. erbauten JVA Butzbach nicht. Wenn alles klappt, wird er sich den kleinen Traum dennoch bald erfüllen können: In einem Monat beginnt für Hans B. der offene Vollzug.
Quelle: F.A.Z.

taz vom 26.5.2015
Ausbeutung in Gefängnissen
Arbeitskampf hinter Gittern
Die Gefangenengewerkschaft feiert ihren ersten Geburtstag. Sie fordert einen Mindestlohn und Beiträge zur Rentenversicherung auch im Knast.

Hier produziert unter anderem Miele: die JVA Rheinbach.  Bild: dpa
BERLIN taz | Sie arbeiten für Großkonzerne wie Mercedes-Benz oder Siemens, verdienen weniger als 2 Euro die Stunde, und das mitten in der Bundesrepublik Deutschland. Denn sie sind Häftlinge im Strafvollzug. Seit einem Jahr haben Gefangene nun eine Lobby: ihre eigene Gewerkschaft.
„Mit der Gewerkschaft konnten wir die prekäre Arbeitssituation hinter Gittern ans Licht der Öffentlichkeit zerren“, sagt Oliver Rast, Sprecher der bundesweiten Gewerkschaft. Im Mai 2014 hatte sich die Organisation in der Berliner Justizvollzugsanstalt (JVA) Tegel gegründet. Inzwischen organisieren sich knapp 600 Mitglieder in 45 deutschen Gefängnissen gewerkschaftlich – für den Mindestlohn und eine Rentenversicherung auch im Knast. Denn Inhaftierte zahlen während ihrer Haftzeit nicht in die Rentenversicherung ein und haben deswegen weniger Rentenanspruch im Alter.
Seit der Gründung der Gefangenengewerkschaft griffen zahlreiche Medien das Thema auf. Im Dezember 2014 setzte sich im Bundestag auch die Linksfraktion für die Rentenversicherung von Häftlingen ein. Doch die junge Gewerkschaft verbucht nicht nur Erfolge: Die Organisation sei permanenten Schikanen seitens der Justiz ausgesetzt – Vereinspost würde oft verspätet oder gar nicht an inhaftierte Mitglieder ausgehändigt. Die betreffende Behörde wollte aufgrund eines laufenden Beschwerdeverfahrens dazu nichts sagen.
In Deutschland sitzen rund 66.000 Menschen hinter Gittern. 41.000 von ihnen arbeiten dort, in den meisten Bundesländern verpflichtend. 9 bis 15 Euro verdienen die Gefangenen pro Tag – das sind maximal 1,87 Euro die Stunde. Die Insassen produzieren dabei oft für staatliche Institutionen, zum Beispiel Stühle für das Berliner Abgeordnetenhaus oder Richterroben. Aber auch externe Unternehmen vergeben Aufträge an die JVAs. Teilprivatisierte Gefängnisse werben auf ihren Internetseiten mit den günstigen Konditionen in der Produktionsstätte Knast.
Der Gartengerätehersteller Gardena, der Haushaltsgerätehersteller Miele und Mercedes-Benz: Sie alle lassen im Gefängnis produzieren oder verlegen Montage- und Logistikarbeiten hinter Gitter. „Die Arbeit im Knast ist eine reine Industrie geworden“, sagt André Moussa Schmitz, Landessprecher der Gefangenengewerkschaft in Nordrhein-Westfalen. Die Unternehmen sehen das anders: „Durch unsere Aufträge können wir den Menschen eine sinnhafte und wertschöpfende Tätigkeit anbieten“, sagt Gardena-Sprecher Heribert Wettels. Auch Miele und Daimler lassen verlauten, dass ihre Firmen mit den Aufträgen in erster Linie die Resozialisierung unterstützten.
„Keine Arbeit im Gefängnis dient der Resozialisierung, sondern nur der Ausbeutung von Gefangenen, die sich nicht wehren können“, sagt dagegen ein Inhaftierter aus der JVA Butzbach in Hessen, der anonym bleiben möchte. „Das ist Ausbeutung mit staatlicher Zustimmung.“
Die Gefangenengewerkschaft plant im Juni einen Aktionstag gegen die „Billiglöhnerei im Knast“. Mit Kundgebungen vor Justizeinrichtungen und Firmenzentralen will die Organisation gegen die Ausbeutung protestieren.

23.11.15 “neues Detuschland”
Hungerstreik für Mindestlohn
In der hessischen JVA Butzbach kündigen Gefangene unbefristete Proteste ab 1. Dezember an
Deutsche Gefängnisse seien längst zu »Sonderwirtschaftszonen« mit Billiglöhnen geworden, kritisiert die Gewerkschaft GG/BO. In der JVA Butzbach könnte Protest in dieser Sache zum Hungerstreik werden.

Einst wurde die JVA Butzbach wegen ihrer Trainerausbildung für Häftlinge gelobt. Nun droht ein Hungerstreik.
Foto: dpa/F. Rumpenhorst

In der hessischen Justizvollzugsanstalt (JVA) Butzbach droht ab 1. Dezember ein unbefristeter Hungerstreik von Gefangenen. Die im Haftalltag für reguläre Lohnarbeit eingesetzten Gefangenen kritisieren ihre Arbeitsbedingungen und fordern »Minimalstandards« für Löhne und soziale Absicherung, bestätigte Oliver Rast, Sprecher der neuen Gefangenen-Gewerkschaft/Bundesweite Organisation (GG/BO), auf »nd«-Anfrage.

»Mit unserem ›Hungerschrei‹ wollen wir ein Zeichen setzen«, so Jürgen Rößner, Sprecher der GG/BO-Sektion Butzbach. »Wir fordern Mindestlohn und Rentenversicherung für alle gefangenen Arbeiter(innen), Tariffähigkeit, Abschaffung der Arbeitspflicht, volle Gewerkschaftsfreiheit hinter Gittern und Solidarität drinnen und draußen.« Eine Petition mit diesen Forderungen, die »nd« in Kopie vorliegt, haben »nd«-Recherchen zufolge bereits weit über 100 Gefangene unterzeichnet. Grundgesetz, Resozialisierungsgrundsatz und Urteile des Bundesverfassungsgerichts, argumentiert Rößner, sicherten auch Gefangenen das Recht auf ungehinderte gewerkschaftliche Betätigung zu.

Ein Auslöser des Konflikts in der JVA Butzbach mit ihren rund 500 Gefangenen war dem Vernehmen nach ein Dokument im Zusammenhang mit der Produktion von Klettergerüsten für Spielplätze durch die gefängniseigene Schlosserei. Die Häftlinge, sagt GG/BO-Sprecher Rast, hätten die Preise für die Produkte mit ihren Stundenlöhnen in Höhe von maximal 1,50 Euro abgeglichen und seien zu der Schlussfolgerung gekommen, dass sie mit ihrer Arbeit der JVA traumhafte Gewinnmargen bescherten. Entgegen der politischen Zielsetzung einer Resozialisierung von Gefangenen »produziert dieses zur Zeit perfide Strafvollzugssystem den Rückfall von Gefangenen und entlässt sie in die resozialisierte Altersarmut, weil es sich nicht an seine ureigene Gesetzgebung und Verordnung hält«, beklagt Rößner.

Butzbach ist kein Einzelfall. Deutsche Gefängnisse, sagt Rast, seien längst zu »Sonderwirtschaftszonen« mit Billiglöhnen geworden, in denen teilweise auch private Unternehmen ohne Sozialabgaben produzieren und ausbeuten ließen.

Für Unmut unter den Gefangenen sorgen auch die Folgen des Personalabbaus im Strafvollzug. So sind laut Rast vielfach sportliche Aktivitäten und Ausgänge gestrichen worden. Dies komme einer Verschärfung der Freiheitsstrafe gleich. Der Bund der Strafvollzugsbediensteten (BSBD), ein Ableger des Deutschen Beamtenbunds (DBB), beklagt »Arbeitsunzufriedenheit, Demotivation und zunehmenden Krankenstand« des vorwiegend beim BSBD organisierten Gefängnispersonals. »Die Arbeitssituation ist gefährlich und befindet sich in einer totalen Schräglage«, so die hessische BSBD-Landeschefin Birgit Kannegießer.

Die Butzbacher Gefangenen sind auch deshalb sauer, weil Hessens Justizministerin Eva Kühne-Hörmann (CDU) bislang nicht auf ein Schreiben reagierte, das Ende September von der gewählten Interessenvertretung der Gefangenen verfasst wurde. Die Unterzeichner des Briefes hatten darin ihre Probleme geschildert, um ein Gespräch gebeten und sich für Lösungen offen gezeigt. »Es kann nicht sein, dass die Ministerin nicht auf die Sorgen der Gefangenen reagiert hat und diese nun keine andere Möglichkeit mehr sehen, als in einen Hungerstreik zu treten«, so die SPD-Landtagsabgeordneten Heike Hofmann und Lisa Gnadl. Beide forderten von der Justizministerin Aufklärung über Zustände in Butzbach.

»Nach jahrelanger Arbeit in der JVA muss man am Ende auch Rentenansprüche haben«, betont auch die LINKE-Abgeordnete Marjana Schott. »Wenn die Ministerin den Gedanken der Resozialisierung und die Anliegen der Gefangenen ernst nehmen würde, hätte sie auf den Gesprächswunsch reagiert.« Dass die Gefangenen nun mit einem Hungerstreik auf ihre prekäre Lage aufmerksam machen wollten, sei »erwartbar gewesen«, so Schott.